5 Katholische Kirche St. Johannes

Katholische Kirche St. Johannes
Katholische Kirche St. Johannes, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Katholische Kirche St. Johannes, undatierte Postkarte, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen
Katholische Kirche St. Johannes, undatierte Postkarte, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen
Katholische Kirche St. Michael, Hechinger Straße 45, Postkarte der Gebrüder Metz, Foto: G. Lutz, Bildrechte: Haus der Geschichte Baden-Württemberg
Katholische Kirche St. Michael, Hechinger Straße 45, Postkarte der Gebrüder Metz, Foto: G. Lutz, Bildrechte: Haus der Geschichte Baden-Württemberg

5 Katholische Kirche St. Johannes

Froschgasse 4, 72070 Tübingen

Vom Portal der Johanneskirche wurden im Mai 1946 drei französische Flaggen entwendet. Die Militärregierung reagierte darauf mit harten Sanktionen.

Tübingen war seit dem 16. Jahrhundert ein geistiges Zentrum des Protestantismus. Eine nennenswerte katholische Gemeinde gab es erst im 19. Jahrhundert. Seit 1817 wurden im Wilhelmsstift, dem vormaligen Collegium Illustre, katholische Theologen und Priesteramtskandidaten ausgebildet. Die neugotische katholische Kirche St. Johannes Evangelist entstand in den Jahren 1875 bis 1878.

Im Mai 1946 wurde die Johanneskirche zum Schauplatz eines Zwischenfalls, der die Beziehungen zwischen Tübingern und Besatzern kurzzeitig stark belastete. Hermann Werner schreibt in seiner Chronik: „[A]m Sonntag, 12. Mai, hatte zur Jahresfeier des Tages der deutschen Kapitulation auch in Tübingen eine Siegesfeier der Besatzungsmacht stattgefunden mit Truppenschau vor der Universität und anschließendem Festgottesdienst in der katholischen Kirche. Am Portal der Kirche waren aus diesem Anlass drei französische Fahnen gehisst, sie wurden von unbekannten, auch später nicht entdeckten Tätern abgerissen.“ Der Kreiskommandant sah darin einen nationalsozialistischen Sabotageakt. Einen Monat lang musste die Stadt drei Trikoloren an der Kirche hissen und sie rund um die Uhr von ehemaligen Mitgliedern der NSDAP und ihrer Gliederungen bewachen lassen. Bis zum 15. Juni musste sie der Militärregierung 100 neue französische Flaggen liefern. Zwei Tage lang wurden alle öffentlichen Veranstaltungen verboten. Vorübergehend gab es wieder eine Sperrstunde zwischen Mitternacht und 4 Uhr.

Dass die Johanneskirche zum Schauplatz dieser Episode wurde, war womöglich kein Zufall. Aus Sicht der mehrheitlich evangelischen Tübinger genoss der Katholizismus in besonderem Maße die „Gunst der Franzosen“. Viele der französischen Offiziere und Soldaten waren praktizierende Katholiken. In Sankt Johannes zelebrierten Militärgeistliche französische Gottesdienste. Auch die Förderung der katholischen Fakultät und der 1949 abgeschlossene Bau der zweiten katholischen Kirche Sankt Michael in der Südstadt, unweit der Loretto-Kaserne, wurden argwöhnisch verfolgt. Tatsächlich ist eine gezielte Privilegierung des Katholizismus nicht belegbar. Die Militärregierung verfolgte zwar sicher keine antiklerikale Politik. Sie arbeitete aber mit Vertretern beider Konfessionen zusammen, die sie als moralische Autoritäten schätzte.

Johannes Großmann

Weiterführend:
Udo Rauch/Antje Zacharias (Hg.): Sieben Jahre Landeshauptstadt. Tübingen und Württemberg-Hohenzollern 1945 bis 1952, Tübingen (Kulturamt) 2002, S. 47.

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