Kategorie-Archiv: Altstadt

8 Museum

Museum
„Museum“, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Landestheater und Lichtspiele im „Museum“, um 1955
Landestheater und Lichtspiele im „Museum“, um 1955, Foto: Alfred Göhner, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen
Freilichtinszenierung von „Romeo und Julia“
Margot Bieler und Hans Messemer in der Freilichtinszenierung von „Romeo und Julia“ auf dem Marktplatz, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

8 Museum

Am Stadtgraben 2, 72074 Tübingen

Im „Museum“ fanden mit Unterstützung der französischen Militärregierung die ersten Theater- und Kinovorführungen nach dem Krieg statt.

Die traditionsreiche Museumsgesellschaft verwandelte sich von einem einfachen Lesezirkel nach und nach in ein bildungsbürgerliches Forum zur Förderung von Literatur, Theater und Musik. 1822 bezog die Gesellschaft einen klassizistischen Neubau am Stadtgraben. Das mehrmals erweiterte und umgebaute „Museum“ wurde mit seinen Veranstaltungssälen für Theater-, Konzert- und Filmvorführungen zu einem Zentrum des städtischen Kulturlebens.

Es überrascht daher nicht, dass im „Museum“ am 14. August 1945 die erste Tübinger Theatervorstellung seit Kriegsende stattfand. Eine studentische Gruppe spielte George Bernard Shaws „Pygmalion“ und Heinrich von Kleists „Der zerbrochene Krug“. Aus einer Freilichtvorführung von „Romeo und Julia“ durch eine junge Schauspieltruppe auf dem Marktplatz entwickelte sich schließlich das Städtische Schauspielhaus. Dieses nahm seinen Spielbetrieb unter der Leitung von Günther Stark am 19. Oktober auf. Damit besaß Tübingen erstmals ein eigenes Theater. Zum Ensemble gehörten Film- und Bühnenstars wie Erika von Thellmann und Elisabeth Flickenschildt. Ein Förderer des Schauspielhauses war Carlo Schmid. Seine Nachdichtung von Pedro Calderóns „Morgen kommt ein neuer Tag“ kam erstmals im Januar 1946 zur Aufführung. 1950 wurde aus dem Schauspielhaus das Landestheater Württemberg-Hohenzollern.

Auch der Kinobetrieb im Museum wurde am 18. August 1945 wieder aufgenommen. Gezeigt wurden deutsche und französische Filme. Bereits zwei Monate zuvor hatte im Festsaal der Neuen Aula am 17. Juni ein erstes Kammermusikkonzert stattgefunden. Das neugegründete Städtische Kammerorchester eröffnete seine erste Spielzeit am 11. November. Auf dem Programm standen klassische Werke, aber auch zeitgenössische Komponisten wie Paul Hindemith und Harald Genzmer. Die Ausstellungen im Kunstgebäude zogen bald zehntausende Besucher an.

Tatsächlich war Kultur ein integraler Bestandteil der französischen Sicherheitskonzeption. Die Besatzer wollten die Deutschen durch Bildung und Umerziehung zu guten Demokraten machen. Gleichzeitig erhofften sie sich einen Prestigegewinn gegenüber den anderen Besatzungsmächten. Als Landeshauptstadt wurde Tübingen zum Schaufenster dieser Politik. Zeitgenössische Beobachter warfen der Militärregierung freilich vor, ihr kultureller Aktionismus solle lediglich die Härten der Besatzungspolitik kaschieren.

Johannes Großmann/Thomas Theurer

Weiterführend:
Edgar Lersch: Das Kulturleben in der Stadt Tübingen vom Zusammenbruch bis zur Währungsreform (1945–1948), in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 43 (1984), S. 327–354.

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Carlo Schmid als Wahlkämpfer
Carlo Schmid als Wahlkämpfer, Foto aus dem Privatbesitz von Martin Schmid

Carlo Schmid (1896–1976) war einer der einflussreichsten politischen Akteure der Tübinger Nachkriegszeit. Der in Frankreich geborene Jurist gehörte der Demokratischen Vereinigung an und drängte auf eine Entnazifizierung von Universität und Verwaltung. Im Dezember 1946 wurde der SPD-Politiker Landesdirektor für Justiz und Präsident des Staatssekretariats von Württemberg-Hohenzollern. Er gilt als einer der „Väter“ des Grundgesetzes. (C.M./F.R./J.G.)


7 Économat

Neue Straße 1, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Neue Straße 1, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Schaufenster des Économat im ehemaligen Kaufhaus Euler
Schaufenster des Économat im ehemaligen Kaufhaus Euler mit Portrait von Charles de Gaulle, August 1946, Foto: Metz, Bildrechte: Haus der Geschichte Baden-Württemberg
Économat in der Katharinenstraße 29
Économat in der Katharinenstraße 29, Foto: Majerczyk, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

7 Économat

Neue Straße 1, 72070 Tübingen

In den Économats konnten Besatzungsangehörige französische Produkte kaufen.

Die Versorgungslage kurz nach Kriegsende war äußerst angespannt. Grund für den Mangel an Konsumgütern war in erster Linie die deutsche Kriegspolitik. Deren desaströse Folgen für das Finanz- und Wirtschaftssystem waren lediglich durch die systematische Ausbeutung der besetzten Gebiete kaschiert worden. 1945 brach diese Raubwirtschaft zusammen. Viele Deutsche machten nun jedoch die Alliierten für Lebensmittelknappheit und Schwarzmarktwucher verantwortlich. Dies galt vor allem für die strukturschwache französische Besatzungszone. Noch 1948 behauptete ein anonymes Flugblatt, die französischen Truppen würden „restlos aus dem Lande verpflegt. […] Zu diesem Besatzungsheer kommen in stattlicher Zahl die Zivilfranzosen hinzu sowie eine Menge illegal anwesender Franzosen. Und alle ernähren sie sich sehr gut aus dem Lande!“

Tatsächlich wurden spezielle Läden eingerichtet, um den Alltagsbedarf der Besatzer zu decken. Das erste französische Kaufhaus in Tübingen eröffnete am 23. August 1945 am Holzmarkt. Es befand sich im beschlagnahmten Modehaus Haidt (Neue Straße 1). Zuerst wurde das Kaufhaus auf Anordnung der Militärbehörden von der Stadt bewirtschaftet. Im Februar 1946 wurde es in einen Économat umgewandelt und dadurch in das militärisch kontrollierte Einzelhandelssystem zur Versorgung der französischen Streitkräfte integriert. Weitere Économats entstanden im früheren Kaufhaus Euler am Marktplatz, in der Neuen Straße 4 (vormals Konditorei Bausch) und im Erdgeschoss des Pomonahauses in der Neckargasse 22. All diese Läden verkauften vorwiegend französische Produkte. Sie standen ausschließlich französischen Soldaten, Angehörigen der Besatzungsverwaltung und ihren Familien offen und trugen dazu bei, dass sich diese als Teil einer französischen Gemeinschaft im Ausland verstanden. Lediglich im Magasin du Gouvernement Régional in der Kronenstraße 13 konnte seit Januar 1946 auch die einheimische Bevölkerung einkaufen.

Die letzten französischen Läden in der Innenstadt schlossen 1955, als in einer der Neubauten neben der Loretto-Kaserne in der Katharinenstraße 29 ein großer Économat eröffnet wurde. Dieser blieb bis zum Abzug der französischen Garnison bestehen. Seit 2005 befindet sich dort das Ladenlokal der Tübinger Tafel.

Johannes Großmann/Bianca Hofmann

Weiterführend:
Udo Rauch/Antje Zacharias (Hg.): Sieben Jahre Landeshauptstadt. Tübingen und Württemberg-Hohenzollern 1945 bis 1952, Tübingen (Kulturamt) 2002, S. 73–75.

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6 Mensa „Prinz Karl“

Mensa „Prinz Karl
Mensa „Prinz Karl“, Herbst 2015, Foto: Matthieu Osmont
Foyer de Garnison im Gebäude der Mensa „Prinz Karl“, Hafengasse 6
Foyer de Garnison im Gebäude der Mensa „Prinz Karl“, Hafengasse 6, Foto: Gebrüder Metz, Bildrechte: Haus der Geschichte Baden-Württemberg
Städtische Volksküche im Sozialamt, um 1950
Städtische Volksküche im Sozialamt, Frauen bereiten die Mahlzeit vor, um 1950, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

6 Mensa „Prinz Karl“

Hafengasse 6, 72070 Tübingen

Die Mensa im ehemaligen Hotel „Prinz Karl“ wurde von den französischen Besatzern requiriert. Die Studenten mussten daher andernorts mit warmen Mahlzeiten versorgt werden.

Die Mensa „Prinz Karl“ trägt ihren Namen in Erinnerung an den württembergischen König Karl I., der als Prinz in Tübingen studierte. Das Gebäude blickt auf eine lange Geschichte zurück: Erbaut Ende des 15. Jahrhunderts, wurde es lange als Hotel genutzt. Als Student wohnte hier der Mediziner Alois Alzheimer, an den heute eine Gedenktafel neben dem Eingang erinnert. In der wirtschaftlichen Notzeit nach dem Ersten Weltkrieg gab das Tübinger Studentenwerk im „Prinz Karl“ warme Mahlzeiten an die Studenten aus und stellte die ehemaligen Hotelräume als Wohnheim zur Verfügung.

Nach dem Einmarsch der französischen Truppen im April 1945 wurde das Gebäude – wie auch andere Tübinger Hotels und Wohnheime – zur Unterbringung der Besatzer requiriert. Doch erschien die kostengünstige Versorgung von Studenten in einer Zeit dramatischer Unterernährung nötiger denn je. In der Neckarmüllerei wurde daher eine neue Mensa eingerichtet, die einmal täglich einen nahrhaften Eintopf ausgab. Oberbürgermeister Adolf Hartmeyer ließ außerdem im Sommer 1946 eine „Volksküche“ im Kornhaus (Kornhausstraße 10, heute Stadtmuseum) einrichten, die neben den Studenten auch anderen notleidenden Tübingern offenstand.

Auch die Amerikaner leisteten einen Beitrag zur Ernährung in der Französischen Besatzungszone: Neben den CARE-Paketen, erfunden von dem in die USA emigrierten Kilchberger Otto Robert Hauser, gab es die so genannte „Hoover-Speisung“, initiiert vom ehemaligen US-Präsidenten Herbert Hoover. In deren Rahmen konnten Studenten auch in der Eingangshalle der Neuen Aula ein kostenloses Reis- oder Milchgericht bekommen. Den Blechnapf dafür mussten sie allerdings selbst mitbringen. Trotz dieser Hilfeleistungen war das Essen in Tübingen knapp. Voraussetzung für eine Immatrikulation an der Universität wurde daher, dass ein Student „die Ernährungslage der Stadt Tübingen nicht belasten“ durfte. Seit 1952 steht „Prinz Karl“ wieder den Tübinger Studenten als Wohnheim und Mensa zur Verfügung.

Jonathan Schilling/Jana Flicker

Weiterführend:
Udo Rauch/Antje Zacharias (Hg.): Sieben Jahre Landeshauptstadt. Tübingen und Württemberg-Hohenzollern 1945 bis 1952, Tübingen (Kulturamt) 2002, S. 45, 65f., 118, 128.

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Oberbürgermeister Adolf Hartmeyer auf der Rathauskanzel
Oberbürgermeister Adolf Hartmeyer auf der Rathauskanzel, Foto: Carl Näher, Bildrechte: Stadtarchiv Reutlingen

Adolf Hartmeyer (1886–1953) war von 1946 bis 1948 Tübinger Oberbürgermeister. Der gelernte Buchdrucker, den die Nationalsozialisten mit einem Berufsverbot belegt hatten, trat nach Kriegsende der Demokratischen Vereinigung bei. 1946 wurde der SPD-Politiker zum Oberbürgermeister ernannt und bei den ersten Kommunalwahlen im November bestätigt. Er bemühte sich vor allem um die Verbesserung der Ernährungslage und der Wohnungssituation. (F.R.)


5 Katholische Kirche St. Johannes

Katholische Kirche St. Johannes
Katholische Kirche St. Johannes, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Katholische Kirche St. Johannes, undatierte Postkarte, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen
Katholische Kirche St. Johannes, undatierte Postkarte, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen
Katholische Kirche St. Michael, Hechinger Straße 45, Postkarte der Gebrüder Metz, Foto: G. Lutz, Bildrechte: Haus der Geschichte Baden-Württemberg
Katholische Kirche St. Michael, Hechinger Straße 45, Postkarte der Gebrüder Metz, Foto: G. Lutz, Bildrechte: Haus der Geschichte Baden-Württemberg

5 Katholische Kirche St. Johannes

Froschgasse 4, 72070 Tübingen

Vom Portal der Johanneskirche wurden im Mai 1946 drei französische Flaggen entwendet. Die Militärregierung reagierte darauf mit harten Sanktionen.

Tübingen war seit dem 16. Jahrhundert ein geistiges Zentrum des Protestantismus. Eine nennenswerte katholische Gemeinde gab es erst im 19. Jahrhundert. Seit 1817 wurden im Wilhelmsstift, dem vormaligen Collegium Illustre, katholische Theologen und Priesteramtskandidaten ausgebildet. Die neugotische katholische Kirche St. Johannes Evangelist entstand in den Jahren 1875 bis 1878.

Im Mai 1946 wurde die Johanneskirche zum Schauplatz eines Zwischenfalls, der die Beziehungen zwischen Tübingern und Besatzern kurzzeitig stark belastete. Hermann Werner schreibt in seiner Chronik: „[A]m Sonntag, 12. Mai, hatte zur Jahresfeier des Tages der deutschen Kapitulation auch in Tübingen eine Siegesfeier der Besatzungsmacht stattgefunden mit Truppenschau vor der Universität und anschließendem Festgottesdienst in der katholischen Kirche. Am Portal der Kirche waren aus diesem Anlass drei französische Fahnen gehisst, sie wurden von unbekannten, auch später nicht entdeckten Tätern abgerissen.“ Der Kreiskommandant sah darin einen nationalsozialistischen Sabotageakt. Einen Monat lang musste die Stadt drei Trikoloren an der Kirche hissen und sie rund um die Uhr von ehemaligen Mitgliedern der NSDAP und ihrer Gliederungen bewachen lassen. Bis zum 15. Juni musste sie der Militärregierung 100 neue französische Flaggen liefern. Zwei Tage lang wurden alle öffentlichen Veranstaltungen verboten. Vorübergehend gab es wieder eine Sperrstunde zwischen Mitternacht und 4 Uhr.

Dass die Johanneskirche zum Schauplatz dieser Episode wurde, war womöglich kein Zufall. Aus Sicht der mehrheitlich evangelischen Tübinger genoss der Katholizismus in besonderem Maße die „Gunst der Franzosen“. Viele der französischen Offiziere und Soldaten waren praktizierende Katholiken. In Sankt Johannes zelebrierten Militärgeistliche französische Gottesdienste. Auch die Förderung der katholischen Fakultät und der 1949 abgeschlossene Bau der zweiten katholischen Kirche Sankt Michael in der Südstadt, unweit der Loretto-Kaserne, wurden argwöhnisch verfolgt. Tatsächlich ist eine gezielte Privilegierung des Katholizismus nicht belegbar. Die Militärregierung verfolgte zwar sicher keine antiklerikale Politik. Sie arbeitete aber mit Vertretern beider Konfessionen zusammen, die sie als moralische Autoritäten schätzte.

Johannes Großmann

Weiterführend:
Udo Rauch/Antje Zacharias (Hg.): Sieben Jahre Landeshauptstadt. Tübingen und Württemberg-Hohenzollern 1945 bis 1952, Tübingen (Kulturamt) 2002, S. 47.

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4 Restaurant zum Pflug

Restaurant zum Pflug
Restaurant zum Pflug, Neustadtgasse, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Restaurant zum Pflug, Neustadtgasse
Restaurant zum Pflug, Neustadtgasse, Foto: Ingeborg Dehner-Helle, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

4 Restaurant zum Pflug

Neustadtgasse 11, 72070 Tübingen

Die Treffen der Demokratischen Vereinigung im Gasthaus zum Pflug markierten den Neubeginn des politischen Lebens nach zwölf Jahren nationalsozialistischer Diktatur.

Das Gasthaus zum Pflug war bis zu seiner Schließung im Februar 2012 eines der traditionsreichsten Gasthäuser in Tübingen. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs und während der französischen Besatzungszeit spielte dieser Ort eine wichtige Rolle für den demokratischen Neuanfang nach zwölf Jahren nationalsozialistischer Diktatur. Hier traf sich – zu Beginn noch im Verborgenen – ein „Antifaschistischer Block“ aus Kommunisten und Sozialdemokraten. Später wurde daraus die Demokratische Vereinigung. Diese überparteiliche Runde umfasste auch Teilnehmer aus dem liberalen und konservativen Spektrum. Zu den etwa 50 Mitstreitern der Demokratischen Vereinigung zählten beispielsweise Carlo Schmid, Viktor Renner, Adolf Hartmeyer und Otto Erbe. Ihr Ziel war ein demokratischer Neuaufbau von Politik, Verwaltung und Wirtschaftsleben in Zusammenarbeit mit den französischen Besatzungsbehörden.

Für kurze Zeit wurde das kleine Gasthaus zum Pflug damit zu einem heimlichen Zentrum des politischen Lebens in Tübingen und Württemberg-Hohenzollern. Die Demokratische Vereinigung unterstützte die Entnazifizierungs-Bemühungen der Militärregierung. Auf ihren Vorschlag hin wurde Viktor Renner am 18. Juni 1945 zum Tübinger Oberbürgermeister ernannt. Doch die Spannungen zwischen den unterschiedlichen politischen Lagern nahmen zu. Im April 1946 löste sich die Demokratische Vereinigung daher auf. Ihre Mitglieder blieben in den wieder zugelassenen und neugegründeten Parteien aktiv.

Sebastian Brenner/Constantin März

Weiterführend:
Michaela Häffner: Die Demokratische Vereinigung, 1945–1946. Eine Studie zur Nachkriegsgeschichte am Beispiel Tübingens, Tübingen (Kulturamt) 1997.

 

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Carlo Schmid als Wahlkämpfer
Carlo Schmid als Wahlkämpfer, Foto aus dem Privatbesitz von Martin Schmid

Carlo Schmid (1896–1976) war einer der einflussreichsten politischen Akteure der Tübinger Nachkriegszeit. Der in Frankreich geborene Jurist gehörte der Demokratischen Vereinigung an und drängte auf eine Entnazifizierung von Universität und Verwaltung. Im Dezember 1946 wurde der SPD-Politiker Landesdirektor für Justiz und Präsident des Staatssekretariats von Württemberg-Hohenzollern. Er gilt als einer der „Väter“ des Grundgesetzes. (C.M./F.R./J.G.)

Viktor Renner
Viktor Renner, Foto: Foto-Dohm, Bildrechte: Stadtarchiv Reutlingen

Viktor Renner (1899–1969) war 1945/46 Oberbürgermeister von Tübingen. Als Mitglied der Demokratischen Vereinigung wurde der Jurist im Juni 1946 zum kommissarischen Oberbürgermeister ernannt. Gleichzeitig war er Landrat des Kreises Tübingen. Von 1946 bis 1952 war er Innenminister von Württemberg-Hohenzollern, danach erster Justizminister des Landes Baden-Württemberg. (T.K./F.R./J.G.)

Oberbürgermeister Adolf Hartmeyer auf der Rathauskanzel
Oberbürgermeister Adolf Hartmeyer auf der Rathauskanzel, Foto: Carl Näher, Bildrechte: Stadtarchiv Reutlingen

Adolf Hartmeyer (1886–1953) war von 1946 bis 1948 Tübinger Oberbürgermeister. Der gelernte Buchdrucker, den die Nationalsozialisten mit einem Berufsverbot belegt hatten, trat nach Kriegsende der Demokratischen Vereinigung bei. 1946 wurde der SPD-Politiker zum Oberbürgermeister ernannt und bei den ersten Kommunalwahlen im November bestätigt. Er bemühte sich vor allem um die Verbesserung der Ernährungslage und der Wohnungssituation. (F.R.)

(Christian) Otto Erbe, 1940er Jahre, Bildrechte: ERBE-Archiv

(Christian) Otto Erbe (1884–1965) war ein Tübinger Unternehmer. 1923 übernahm er die von seinem Großvater begründete mechanische und optische Werkstätte. Firmensitz und Verkaufsstelle befanden sich am Holzmarkt 7. Er verwandelte das Unternehmen in einen Industriebetrieb für Medizintechnik. Nach dem Krieg beteiligte sich Erbe, der mit Theodor Heuss befreundet war, an der Neugründung der liberalen Demokratischen Volkspartei (DVP). Von 1946 bis 1956 war er Mitglied im Tübinger Gemeinderat, seit 1948 Erster Beigeordneter der Stadt. (J.G.)

3 Volkshochschule

„Silberburg“ am Marktplatz
„Silberburg“ am Marktplatz, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Volkshochschule, Schaukasten im Kommödle an der Wilhelmstraße, 1952, Foto: Kleinfeldt, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen
Volkshochschule, Schaukasten im Kommödle an der Wilhelmstraße, 1952, Foto: Kleinfeldt, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen
Volkshochschule, Kurs Freihandzeichnen, 1951, Foto: Kleinfeldt, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen
Volkshochschule, Kurs Freihandzeichnen, 1951, Foto: Kleinfeldt, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

3 Volkshochschule

Wienergäßle 1, 72070 Tübingen

Die Volkshochschule wurde 1947 mit Unterstützung der Besatzungsmacht als ein Ort der demokratischen Erziehung und politischen Bil­dung gegründet.

Etwa 80 Vertreter von Stadtverwaltung, Universität und Kirchen besuchten die Gründungsversammlung der Volkshochschule Tübingen am 13. März 1947. Erklärtes Ziel der Volksschule war es, „das deutsche Volk geistig, sittlich und politisch zu bilden, um in ihm den Geist der Humanität, der Demokratie, der sozialen Verantwortung und der Völkerverständigung zu wecken und wirksam werden zu lassen.“ Die französische Militärregierung begrüßte den Aufbau des neuen Bildungsangebots, in dem sie einen wichtigen Beitrag zur demokratischen Erziehung der Tübinger Bevölkerung sah. Ihre finanzielle Unterstützung blieb allerdings begrenzt.

Die Volkshochschule stieß von Beginn an auf großes Interesse. Im ers­ten Trimester von April bis Juli 1947 wurden die Kurse und Veranstaltungen von insgesamt 1.744 Menschen besucht. Neben dem Fremdsprachenunterricht lag ein Schwerpunkt auf der politischen Bildungsarbeit. Zu den Dozenten zählten un­ter anderem der Politologe Theodor Eschenburg und die SPD-Politikerin Else Berkmann, die sich vor allem für die demokratische Bildung von Frauen engagierte. Von Beginn an war die Volkshochschule politisch unabhängig, religiös neutral und offen für alle Gesellschaftsschichten.
In den Anfangsjahren sah sich die Volkshochschule mit erschwerten Bedingungen konfrontiert: Die Unter­richts­räume waren über die ganze Stadt verteilt, und die Schüler mussten Brennholz und Glüh­birnen zum Heizen und Beleuchten der Zimmer selbst mitbringen. Die Geschäftsstelle befand sich zunächst in der „Silberburg“ beim Rathaus. Der Bau eines von Beginn an in der Brunnenstraße geplanten Zentralgebäudes scheiterte 1951 an mangelnder Finanzierung. Die Suche nach einem eigenen festen Standort blieb lange erfolglos. In den 1970er Jahren zog die Volkshochschule ins Schwabenhaus am Neckar. Seit 1998 ist sie in einem ehemaligen Mann­schafts­gebäude der Loretto-Kaserne untergebracht.

Pascal Huber/Lukas Kuhn

Weiterführend:
Dieter Barth/Wilfried Setzler (Hg.): Sechzig Jahre Volkshochschule Tübingen. Eine Festschrift, Tübingen (Kulturamt) 2007.

 

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Theodor Eschenburg
Theodor Eschenburg, Oktober 1960, Foto: Alfred Göhner, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

Theodor Eschenburg (1904–1999) war ab 1952 Professor für Politikwissenschaften und von 1961 bis 1963 Rektor der Universität Tübingen. Er war Mitherausgeber der „Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte“, schrieb viele Jahre lang für die „Zeit“ und engagierte sich in der politischen Bildungsarbeit. Doch seine Rolle im „Dritten Reich“ ist umstritten. Neuen Recherchen zufolge war Eschenburg aktiv an „Arisierungen“ beteiligt. (T.T./F.R.)

2 Marktplatz

Marktplatz, Rathaus mit Neptunbrunnen, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Marktplatz, Rathaus mit Neptunbrunnen, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Enthüllung des erneuerten Marktbrunnens, 3. Juli 1948, Foto: Carl Näher, Bildrechte: Stadtarchiv Reutlingen
Enthüllung des erneuerten Marktbrunnens, 3. Juli 1948, Foto: Carl Näher, Bildrechte: Stadtarchiv Reutlingen
Marktplatz, Rathaus mit Neptunbrunnen, Mai 1949, Postkarte der Gebrüder Metz, Bildrechte: Haus der Geschichte Baden-Württemberg
Marktplatz, Rathaus mit Neptunbrunnen, Mai 1949, Postkarte der Gebrüder Metz, Bildrechte: Haus der Geschichte Baden-Württemberg

2 Marktplatz

Am Markt

Der Marktplatz wurde in der Besatzungszeit zu einem zentralen Ort der Begegnung von Tübingern und Franzosen.

Die sichtbarste Hinterlassenschaft der französischen Besatzungszeit auf dem Tübinger Marktplatz ist der Neptunbrunnen. Dabei reichen die Ursprünge des Brunnens bis ins 17. Jahrhundert zurück. Heinrich Schickhardt kam im Jahr 1617 von einer Italienreise nach Hause. Im Gepäck hatte er unter anderem eine Skizze des imposanten Neptunbrunnens von Bologna. Dieser Brunnen wurde für den Tübinger Marktplatz aus Sandstein nachgebaut. Über die Jahrhunderte verwitterte der Brunnen stark. Mit Beginn des letzten Jahrhunderts mehrten sich die Stimmen, die für eine Neugestaltung plädierten. Schließlich waren es die französischen Besatzer, die den Neptunbrunnen als Symbol für den Wiederaufbau und die deutsch-französische Aussöhnung erneuern ließen. Für die Galvanoplastik, mit deren Herstellung die Württembergische Metallwaren-Fabrik (WMF) in Geislingen beauftragt wurde, stellte die Militärregierung konfiszierten Waffenschrott der Wehrmacht zur Verfügung. Das Brunnenbecken aus Kalktuff entwarf der Tübinger Bildhauer Heinrich Krauß. Am 3. Juli 1948 wurde der Brunnen durch den damaligen Oberbürgermeister Adolf Hartmeyer öffentlich eingeweiht.

Auch sonst war der Marktplatz einer der wichtigsten Begegnungsorte von Besatzern und Besetzten. Mehrere Gebäude am Marktplatz wurden vorübergehend von der französischen Besatzungsmacht genutzt. Das damalige Gasthaus und Hotel Lamm (heute Gemeindehaus der Evangelischen Kirche) diente in der Nachkriegszeit kurzzeitig als Sitz der Ortskommandantur. Im ehemaligen Kaufhaus Euler (Am Markt 12) wurde außerdem ein französischer Économat eröffnet. Gleichzeitig wurde der Marktplatz für öffentliche Bekanntgaben und Veranstaltungen genutzt. So brachte eine Gruppe junger Schauspieler im Spätsommer 1945 eine vielumjubelte Freilichtinszenierung von „Romeo und Julia“ zur Aufführung. Sie war das Vorspiel zur Gründung des Schauspielhauses Tübingen.

Yannick Lengkeek/Therese Dichgans

Weiterführend:
Udo Rauch/Antje Zacharias (Hg.): Sieben Jahre Landeshauptstadt. Tübingen und Württemberg-Hohenzollern 1945 bis 1952, Tübingen (Kulturamt) 2002, S. 112–114.

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Oberbürgermeister Adolf Hartmeyer auf der Rathauskanzel
Oberbürgermeister Adolf Hartmeyer auf der Rathauskanzel, Foto: Carl Näher, Bildrechte: Stadtarchiv Reutlingen

Adolf Hartmeyer (1886–1953) war von 1946 bis 1948 Tübinger Oberbürgermeister. Der gelernte Buchdrucker, den die Nationalsozialisten mit einem Berufsverbot belegt hatten, trat nach Kriegsende der Demokratischen Vereinigung bei. 1946 wurde der SPD-Politiker zum Oberbürgermeister ernannt und bei den ersten Kommunalwahlen im November bestätigt. Er bemühte sich vor allem um die Verbesserung der Ernährungslage und der Wohnungssituation. (F.R.)

1 Schloss Hohentübingen

Schloss Hohentübingen, Innenhof, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Schloss Hohentübingen, Innenhof, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Schloss Hohentübingen, Innenhof, Postkarte der Gebrüder Metz, Bildrechte: Haus der Geschichte Baden-Württemberg
Schloss Hohentübingen, Innenhof, Postkarte der Gebrüder Metz, Bildrechte: Haus der Geschichte Baden-Württemberg
Schloss Hohentübingen, Fünfeckturm, um 1954, Foto: Alfred Göhner, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen
Schloss Hohentübingen, Fünfeckturm, um 1954, Foto: Alfred Göhner, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

1 Schloss Hohentübingen

Burgsteige 11, 72070 Tübingen

Auf Schloss Hohentübingen fand 1949 der Prozess gegen acht Hauptverantwortliche der „Euthanasie“-Morde von Grafeneck statt.

Nach dem französischen Einmarsch wurde das Schloss Hohentübingen kurzzeitig als Kaserne genutzt. Der Fünfeckturm diente als Gefängnis für Kleinkriminelle. Im Sommer 1949 wurde der Rittersaal des Schlosses schließlich zum Schauplatz des sogenannten Grafeneck-Prozesses. Angeklagt waren die acht mutmaßlichen Hauptverantwortlichen für den Mord an 10.654 geistig und körperlich behinderten Menschen, die zwischen Januar und Dezember 1940 auf Schloss Grafeneck der sogenannten Aktion T4 zum Opfer gefallen waren. Viele an den „Euthanasie“-Morden beteiligte Ärzte wurden allerdings nie zur Rechenschaft gezogen. Auch die Angeklagten erhielten letztlich relativ milde Strafen.

Obgleich unter den Ermordeten auch 47 Tübinger waren, zeigte die städtische Öffentlichkeit kaum Interesse an dem Prozess. Vier Jahre nach Kriegsende gab es nur noch wenig Bereitschaft, sich mit den nationalsozialistischen Verbrechen auseinanderzusetzen und die eigene Mitverantwortung einzugestehen. Der Prozess verdeutlicht daher auch, dass das ambitionierte französische Konzept einer Entnazifizierung als Grundlage umfassender Demokratisierung in der Realität schon bald an seine Grenzen stieß. Das Vorhaben einer politischen Säuberung und Aufarbeitung der Vergangenheit unter aktiver Beteiligung der deutschen Bevölkerung schien gescheitert. So schrieb ein Journalist am 6. Juli 1949 im Schwäbischen Tagblatt: „Im Gegensatz zur Argumentation des Staatsanwalts hat das Schwurgericht den Notstand, in dem sich die unter Druck stehenden Angeklagten gefunden hatten, voll gewürdigt.“

Yannick Lengkeek

Weiterführend:
Jörg Kinzig/Thomas Stöckle (Hg.): 60 Jahre Tübinger Grafeneck-Prozess. Betrachtungen aus historischer, juristischer, medizinethischer und publizistischer Perspektive, Zwiefalten (Verlag Psychiatrie und Geschichte) 2011.

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