16 Justizgebäude
Doblerstraße 14, 72074 Tübingen
Das Justizgebäude war Sitz der französischen Militärregierung. Hier wurde 1946 das Staatssekretariat für Württemberg-Hohenzollern eingesetzt.
Das Tübinger Justizgebäude wurde nach Plänen von Albert Berger zwischen 1902 und 1905 im Stil der Neorenaissance erbaut. Seine Bedeutung als Ort der Rechtsprechung und der Repräsentation war nur einer der Gründe, weshalb die Franzosen den eindrucksvollen Bau im September 1945 zum Sitz der Militärregierung umfunktionierten. Tatsächlich waren vor allem praktische Erwägungen ausschlaggebend. So hatte sich die französische Militärregierung nach der Übergabe Stuttgarts an die US-Armee im Juli 1945 zunächst in Freudenstadt niedergelassen, das jedoch stark kriegsbeschädigt war und kaum geeignete Räumlichkeiten bot. Die Wahl fiel daher letztlich auf Tübingen, das mit seiner nahezu unbeschädigten Infrastruktur und seinen Verwaltungsbauten besonders geeignet erschien. Viele deutsche Einrichtungen mussten sich hingegen eine neue Bleibe suchen. So wurden das Amts- und das Landgericht vom Justizgebäude in die Neue Aula umgesiedelt.
Die angespannte räumliche Situation in Tübingen verschärfte sich, als am 16. Oktober 1945 im Schwurgerichtssaal des Justizgebäudes eine erste zentrale Landesverwaltung eingesetzt wurde. Deren Benennung als „Staatssekretariat für das französisch besetzte Gebiet von Württemberg und Hohenzollern“ ließ keinen Zweifel daran, dass die deutschen Beamten lediglich die Befehle der Besatzungsmacht auszuführen hatten. Dennoch wurden damit auch die Grundlagen für eine künftige Selbstverwaltung Württemberg-Hohenzollerns geschaffen. An der Spitze des Staatssekretariats stand Carlo Schmid. Er wirkte außerdem als „Landesdirektor für Justiz sowie für Kult, Kunst und Erziehung“ an der Umsetzung und Ausgestaltung der französischen Richtlinien mit. Das Staatssekretariat zog in die Nauklerstraße 47. Das Justizgebäude an der nach dem „Retter Tübingens“ benannten Doblerstraße (ehemals: Kaiserstraße) konnte erst im November 1956 wieder vollständig von der deutschen Verwaltung in Besitz genommen werden.
Yannick Lengkeek
Weiterführend:
Wilfried Schöntag: Das Land Württemberg-Hohenzollern 1945–1952, in: Hansmartin Schwarzmaier/Meinrad Schaab (Hg.): Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, Bd. 4: Die Länder seit 1918, Stuttgart (Klett-Cotta) 2003, S. 441–476.
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Carlo Schmid (1896–1976) war einer der einflussreichsten politischen Akteure der Tübinger Nachkriegszeit. Der in Frankreich geborene Jurist gehörte der Demokratischen Vereinigung an und drängte auf eine Entnazifizierung von Universität und Verwaltung. Im Dezember 1946 wurde der SPD-Politiker Landesdirektor für Justiz und Präsident des Staatssekretariats von Württemberg-Hohenzollern. Er gilt als einer der „Väter“ des Grundgesetzes. (C.M./F.R./J.G.)
Theodor Dobler (1893–1973) war Sanitätsarzt in Tübingen. Zusammen mit einigen Mitstreitern verweigerte er sich dem Aufruf zum unbedingten Widerstand. Er war daher maßgeblich daran beteiligt, dass Tübingen unzerstört blieb und kampflos an die französische Armee übergeben wurde. Bereits 1945 wurde eine Straße auf dem Österberg nach ihm benannt. Seit 1946 leitete er das Versorgungskrankenhaus auf dem Sand. (F.R.)