12 Kunstgebäude

Alte Archäologie
Alte Archäologie, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Eingang des Tübinger Kunstgebäudes in der Wilhelmstraße, 1946
Eingang des Tübinger Kunstgebäudes in der Wilhelmstraße, 1946, Foto: Carl Näher, Bildrechte: Stadtarchiv Reutlingen
Plakat für die Ausstellung „Chefs d’Œuvre Retrouvés“
Plakat für die Ausstellung „Chefs d’Œuvre Retrouvés“ im Kunstgebäude, 22. September bis 1. Dezember 1946, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

12 Kunstgebäude

Wilhelmstraße 9, 72074 Tübingen

Das Kunstgebäude in der ehemaligen Antiken-Sammlung war in den Nachkriegsjahren ein kulturpolitisches Schaufenster der französischen Besatzungsmacht.

Der klassizistische Bau der Alten Archäologie wurde gemeinsam mit der Neuen Aula geplant und 1846 fertiggestellt. Seit den 1870er Jahren wurde das Gebäude mehrfach umgebaut und erweitert. Vor dem Zweiten Weltkrieg beherbergte es das Hygiene-Institut und die Antiken-Sammlung des Archäologischen Instituts. In den Kellerräumen wurden während des Krieges polnische, russische und wohl auch einige französische Zwangsarbeiter gefangen gehalten.

Nach dem Krieg war dieser Ort für kurze Zeit ein Leuchtturm der bildenden Künste. Von Herbst 1945 bis Frühjahr 1949 wurden im sogenannten Tübinger Kunstgebäude insgesamt 23 Ausstellungen präsentiert, zu denen etwa 110.000 Besucher kamen. Sie sahen die erste Otto-Dix-Ausstellung in Deutschland seit 1930 und eine Gesamtschau wichtiger deutscher Vertreter der klassischen Moderne. Die sechsmonatige Ausstellung „Meisterwerke aus den Kölner Museen und der Württembergischen Staatsgalerie Stuttgart“ war mit 42.000 Besuchern der größte Publikumserfolg. Sie wurde dadurch möglich, dass viele der Exponate aus neun Jahrhunderten Kunstgeschichte zum Schutz vor Kriegsschäden nach Südwürttemberg ausgelagert worden waren. Neben dem Theater, dem Kino und der Musik wurde somit auch die bildende Kunst zu einem Schwerpunkt französischer Kulturpolitik in Tübingen. Die Kunsthalle und ihr Kurator Gustav Adolf Rieth verfolgten auch ein pädagogisches Ziel. Sie wollten den Deutschen vor allem jene Kunst nahebringen, die zuvor von den Nationalsozialisten als „entartet“ verfemt worden war. Wie erfolgreich diese Bemühungen waren, ist schwer zu sagen. Nicht wenige Besucher dürften von den gezeigten Werken überfordert gewesen sein.

Das Kunstgebäude schloss seine Türen im Mai 1949. Ambitionierte Pläne für eine Staatsgalerie in Tübingen waren gescheitert. Durch die Währungsreform war das Geld knapper geworden. Die Besucherzahlen gingen stark zurück. Außerdem forderte die Universität das Gebäude mit wachsender Vehemenz für das Archäologische Institut zurück. Erst seit 1971 sollte es mit der Kunsthalle wieder einen festen Ausstellungsort für bildende Kunst in Tübingen geben. Die Alte Archäologie beherbergt heute Seminarräume und Verwaltungseinrichtungen der Universität.

Lukas Kuhn

Weiterführend:
Edgar Lersch: Das Kulturleben in der Stadt Tübingen vom Zusammenbruch bis zur Währungsreform (1945–1948), in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 43 (1984), S. 327–354.


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