1 Schloss Hohentübingen

Schloss Hohentübingen, Innenhof, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Schloss Hohentübingen, Innenhof, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Schloss Hohentübingen, Innenhof, Postkarte der Gebrüder Metz, Bildrechte: Haus der Geschichte Baden-Württemberg
Schloss Hohentübingen, Innenhof, Postkarte der Gebrüder Metz, Bildrechte: Haus der Geschichte Baden-Württemberg
Schloss Hohentübingen, Fünfeckturm, um 1954, Foto: Alfred Göhner, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen
Schloss Hohentübingen, Fünfeckturm, um 1954, Foto: Alfred Göhner, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

1 Schloss Hohentübingen

Burgsteige 11, 72070 Tübingen

Auf Schloss Hohentübingen fand 1949 der Prozess gegen acht Hauptverantwortliche der „Euthanasie“-Morde von Grafeneck statt.

Nach dem französischen Einmarsch wurde das Schloss Hohentübingen kurzzeitig als Kaserne genutzt. Der Fünfeckturm diente als Gefängnis für Kleinkriminelle. Im Sommer 1949 wurde der Rittersaal des Schlosses schließlich zum Schauplatz des sogenannten Grafeneck-Prozesses. Angeklagt waren die acht mutmaßlichen Hauptverantwortlichen für den Mord an 10.654 geistig und körperlich behinderten Menschen, die zwischen Januar und Dezember 1940 auf Schloss Grafeneck der sogenannten Aktion T4 zum Opfer gefallen waren. Viele an den „Euthanasie“-Morden beteiligte Ärzte wurden allerdings nie zur Rechenschaft gezogen. Auch die Angeklagten erhielten letztlich relativ milde Strafen.

Obgleich unter den Ermordeten auch 47 Tübinger waren, zeigte die städtische Öffentlichkeit kaum Interesse an dem Prozess. Vier Jahre nach Kriegsende gab es nur noch wenig Bereitschaft, sich mit den nationalsozialistischen Verbrechen auseinanderzusetzen und die eigene Mitverantwortung einzugestehen. Der Prozess verdeutlicht daher auch, dass das ambitionierte französische Konzept einer Entnazifizierung als Grundlage umfassender Demokratisierung in der Realität schon bald an seine Grenzen stieß. Das Vorhaben einer politischen Säuberung und Aufarbeitung der Vergangenheit unter aktiver Beteiligung der deutschen Bevölkerung schien gescheitert. So schrieb ein Journalist am 6. Juli 1949 im Schwäbischen Tagblatt: „Im Gegensatz zur Argumentation des Staatsanwalts hat das Schwurgericht den Notstand, in dem sich die unter Druck stehenden Angeklagten gefunden hatten, voll gewürdigt.“

Yannick Lengkeek

Weiterführend:
Jörg Kinzig/Thomas Stöckle (Hg.): 60 Jahre Tübinger Grafeneck-Prozess. Betrachtungen aus historischer, juristischer, medizinethischer und publizistischer Perspektive, Zwiefalten (Verlag Psychiatrie und Geschichte) 2011.

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