18 Rhenanenhaus

Rhenanenhaus, Herbst 2015
Rhenanenhaus, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Rhenanenhaus, Aufnahme vom März 1927
Rhenanenhaus, Aufnahme vom März 1927, Foto: Gebrüder Metz, Bildrechte: Haus der Geschichte Baden-Württemberg
Abschiedsparade für Gouverneur Guillaume Widmer in der Wilhelmstraße, 30. Juni 1952
Abschiedsparade für Gouverneur Guillaume Widmer in der Wilhelmstraße, 30. Juni 1952, Foto: Kleinfeldt, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

18 Rhenanenhaus

Stauffenbergstraße 4, 72074 Tübingen

Das Rhenanenhaus war von 1945 bis 1956 beschlagnahmt und diente unter anderem als Residenz des Militärgouverneurs von Württemberg-Hohenzollern.

Das Verbindungshaus des Corps Rhenania wurde 1885/86 im neugotischen Stil von Adolf Katz errichtet. Der repräsentative, hoch über dem Neckar auf dem Österberg gelegene Bau im Stil einer mittelalterlichen Burg wurde 1945 von der Besatzungsmacht beschlagnahmt. Bis 1952 diente es als Residenz des französischen Militärgouverneurs von Württemberg-Hohenzollern, Oberst Guillaume Widmer. Von der Höhe des Österbergs hatte er es nicht weit zum Justizgebäude in der Doblerstraße, wo sich der Sitz der französischen Militärregierung befand. Der französische Schriftsteller Michel Tournier, der seit 1946 in Tübingen studierte, beschrieb Widmer als „wahren König von Württemberg“, der einen feudalen Lebensstil zelebrierte und seine Gäste gerne zur Jagd in den Schönbuch lud. Sein „Schlösschen auf dem Österberg“ ließ Widmer für seine Bedürfnisse umbauen. Er richtete es sich geschmackvoll ein, unter anderem mit Möbeln aus den Schlössern Bebenhausen und Hohenzollern.

Auch nach Widmers Abschied von Tübingen wurde das Gebäude durch die französische Besatzungsmacht genutzt. Zunächst diente es unter dem Namen Maison de France als Unterkunft für französische Stipendiaten, später als Gästehaus und als Offizierskasino. Im Jahr 1956 erhielt das Corps Rhenania das Haus zurück. In den letzten Jahren der französischen Nutzung war es kaum noch instand gehalten worden. Erst nach umfangreichen Renovierungsarbeiten konnte es wieder seiner ursprünglichen Bestimmung als Verbindungshaus zugeführt werden.

Das Gebäude stand ursprünglich in der Staufenstraße, die im August 1945 zusammen mit über 70 anderen Tübinger Straßen umbenannt wurde. Als Stauffenbergstraße sollte sie fortan an Oberst Graf von Stauffenberg erinnern, der – so das Nachrichtenblatt der Militärregierung – „seine mutige Auflehnung gegen die widersinnige Kriegsverlängerung 1944 mit dem Tode büßen mußte“.

Bianca Hofmann/Lukas Kuhn

Weiterführend:
Udo Rauch/Antje Zacharias (Hg.): Sieben Jahre Landeshauptstadt. Tübingen und Württemberg-Hohenzollern 1945 bis 1952, Tübingen (Kulturamt) 2002, S. 29–31.

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Guillaume Widmer vor der Neuen Aula
Guillaume Widmer vor der Neuen Aula, Bildausschnitt, Bildrechte: Schwäbisches Tagblatt

Guillaume Widmer (1906–1968) war von 1945 bis 1952 französischer Gouverneur von Württemberg-Hohenzollern. Der frühere Bankier diente von 1939 bis 1941 in Indochina. Später war er im Widerstand gegen die deutsche Besatzung aktiv. Während seiner Amtszeit entwickelte sich Tübingen zum administrativen und kulturellen Zentrum von Württemberg-Hohenzollern. Seit 1954 war er Beamter im französischen Verteidigungsministerium. (F.R.)

Michel Tournier, Sommer 1946
Michel Tournier, Sommer 1946, Bildausschnitt, Foto aus dem Privatbesitz von Hellmut Waller

Michel Tournier (*1924) ist ein französischer Schriftsteller. Er kam nach dem Krieg als einer der ersten französischen Zivilisten nach Deutschland. Im Anschluss an einen Ferienkurs im Sommer 1946 studierte er mehrere Semester lang in Tübingen. Prägend für seinen Aufenthalt wurde die Freundschaft zu seinem späteren Übersetzer Hellmut Waller. Seine Erinnerungen an diese Zeit hat er festgehalten in dem autobiographischen Werk „Le vent Paraclet“. (J.F./F.R./M.O.)