Archiv der Kategorie: Südstadt

29 Garnisonsdepot Schindhau

Ehemaliges Garnisonsdepot
Detailaufnahme im ehemaliges Garnisonsdepot Schindhau, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Detailaufnahme im ehemaligen Garnisonsdepot Schindhau, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Detailaufnahme im ehemaligen Garnisonsdepot Schindhau, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Frühere Schießstände auf dem französischen Standortübungsplatz, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Frühere Schießstände auf dem französischen Standortübungsplatz, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte

29 Garnisonsdepot Schindhau

Schindhau 2, 72072 Tübingen

Im Natursteinpark Rongen sind bis heute Spuren sichtbar, die auf die frühere Nutzung des Geländes als französischer Standortübungsplatz verweisen.

Das Areal des heutigen Natursteinparks Rongen wurde bis zum Abzug der französischen Garnison 1991 als Munitionsdepot genutzt. Daneben befand sich ein Standortübungsplatz für die Soldaten der Tübinger Kasernen. Auf dem Areal von der Reutlinger Straße bis zum Natursteinpark und vom Wennfelder Garten bis zur Kusterdinger Gemarkungsgrenze hatten schon Ende des 19. Jahrhunderts deutsche Soldaten das Schießen trainiert. Nach dem Krieg probten die französischen Besatzer hier für den Ernstfall. Das Gelände östlich von Bergfriedhof und Sudetenstraße hat sich seither nur wenig verändert. Doch wo heute Sandsteinblöcke und Granitquader liegen, lagerten einst Gewehrpatronen und Granaten. Die Schuppen, Bunker und Stacheldrahtzäune vermitteln einen lebhaften Eindruck von den Jahren, als französische Soldaten an den Schießständen im Wankheimer Täle und am Lärchenweg übten. Wer aufmerksam durch den Park spaziert, findet noch heute verwitterte Warnschilder in französischer Sprache.

Bis 2014 nutzte die Polizei einen Teil der Anlagen. Heute locken der geologische Lehrpfad und die riesige Sammlung von Natursteinen vor allem Wochenendtouristen und Wanderer in den Schindhau. Auf dem weitläufigen Gelände südlich des Französischen Viertels stießen Teilnehmer einer Sommerfreizeit jedoch noch vor wenigen Jahren auf Überreste der früheren militärischen Nutzung. Nachdem die spielenden Kinder in einem Waldstück alte Übungsgranaten entdeckt hatten, sperrte die Stadt das gesamte Gebiet und stellte Warnschilder auf. Einige Wochen lang durchforsteten Spürtrupps das Gelände auf beiden Seiten des Panzerplattenwegs, wo die Soldaten Erdlöcher zum Schutz vor Detonationen angelegt hatten. Nach Munitionsresten abgesucht wurden auch die früheren Schießstände am Lärchenweg und hinter den zwei Wohnwagensiedlungen, die Anfang der 1990er Jahre zunächst illegal hinter der ehemaligen Hindenburg-Kaserne entstanden und dann als alternative Wohnprojekte legalisiert worden waren. Allerdings hatten die französischen Soldaten ausschließlich Übungsmunition verwendet. Deutlich gefährlicheres Material vermuteten die Sprengstoffexperten an der Wankheimer Steige, wo offenbar noch zu Kriegszeiten mehrere Bomben detoniert waren.

Fabian Raßmann/Matthieu Osmont

Weiterführend:
Thomas Gack: Die Trikolore am Neckar. Geschichte und Gegenwart der französischen Garnison in Tübingen, in: Tübinger Blätter 60 (1973), S. 115–120.

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28 Französisches Viertel

Ehemalige Panzerhalle im Französischen Viertel, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Ehemalige Panzerhalle im Französischen Viertel, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Das französische Quartier Maud’Huy in der ehemaligen Hindenburg-Kaserne
Das französische Quartier Maud’Huy in der ehemaligen Hindenburg-Kaserne, zeitgenössische Farbpostkarte
Fahnenübergabe im Quartier Maud’Huy, um 1960
Fahnenübergabe im Quartier Maud’Huy, um 1960, Foto: Alfred Göhner, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

28 Französisches Viertel

Aixer Straße 68, 72072 Tübingen

Die ehemalige Hindenburg-Kaserne wurde seit 1945 von der französischen Besatzungsarmee genutzt. Nach 1991 entstand hier eine der modernsten Tübinger Wohngegenden.

Der Tübinger Stadtteil, der heute als Französisches Viertel bekannt ist, war ursprünglich eine Kaserne der Wehrmacht. Sie wurde 1935 als Burgholz-Kaserne eingeweiht und erhielt 1938 den Namen Hindenburg-Kaserne. Der Komplex bestand aus zehn dreistöckigen Mannschaftsgebäuden sowie Pferdeställen und Wirtschaftsgebäuden. Zwischen der Reutlinger Straße und der Bahnlinie standen noch 25 weitere Gebäude – das heutige Depot-Areal. Nur zwei Tage vor dem Einmarsch der französischen Truppen wurde die Hindenburg-Kaserne von alliierten Streitkräften bombardiert und teilweise zerstört.

Wie alle Tübinger Kasernen wurde auch die Hindenburg-Kaserne 1945 von der Besatzungsarmee beschlagnahmt und dann zur Unterbringung des 12ème Régiment de Cuirassiers instand gesetzt. Das Gelände wurde in das Quartier Desazars de Montgailhard im Norden und das Quartier Maud’huy im Süden geteilt. Der südliche Kasernenteil war von 1960 bis zum Abzug der französischen Streitkräfte 1991 Standort des 24ème Régiment de Chasseurs. Zeitweise waren in der Kaserne bis zu 2.000 französische Soldaten stationiert. Die Truppe nutzte den Standortübungsplatz im Wankheimer Täle , wo auch die Tübinger Bevölkerung den Übungen zusehen konnte.

Noch vor dem endgültigen Abzug der Truppen aus Tübingen diskutierten Bürgerschaft und Gemeinderat über Möglichkeiten für eine Nachnutzung der Kaserne. 1994 fiel schließlich die Entscheidung für ein modernes Städtebaukonzept. Die früheren Gerätegebäude und Stallungen werden heute von Handwerksbetrieben genutzt. Die ehemaligen Mannschaftsgebäude dienen als Studentenwohnheime. Die ehemalige Panzerhalle wird heute vormittags als Verkehrsgarten für Schulklassen, nachmittags als überdachter Bolzplatz genutzt. An Wochenenden finden hier Flohmärkte, Feste und Konzertveranstaltungen statt. Auf den großen Flächen zwischen den alten Kasernenbauten entstanden Mehrfamilienhäuser und Kinderspielplätze. Im Rahmen eines Bürgerwettbewerbs wurde auch eine neue Bezeichnung für das Areal gefunden, die an die ehemaligen Besatzer erinnert: Französisches Viertel. Die Straßennamen verweisen ebenfalls auf Tübingens „französische“ Vergangenheit und die seit 1960 bestehende Städtepartnerschaft mit Aix-en-Provence.

Jonathan Schilling/Gabriel Bock/Johannes Großmann

Weiterführend:
Annemarie Hopp/Bernd-Jürgen Warneken (Hg.): Feinde, Freunde, Fremde. Erinnerungen an die Tübinger „Franzosenzeit“, Tübingen (Kulturamt) 1995, S. 19–28.
Armin Scharf/Matthias Gütschow (Hg.): Französisches Viertel Tübingen, Regensburg (Stadtwandel Verlag) 2015.

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27 Französische Schule

Französische Schule, Herbst 2015
Französische Schule, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Französische Schule, Blick auf Loretto-Kaserne und Österberg, 1956
Französische Schule, Blick auf Loretto-Kaserne und Österberg, 1956, Foto: Alfred Göhner, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen
Richtfest der Französischen Schule, Juli 1954
Richtfest der Französischen Schule, Juli 1954, Foto: Alfred Göhner, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

27 Französische Schule

Galgenbergstraße 86, 72072 Tübingen

Mit dem Neubau der Französischen Schule 1955 wurde die seit Kriegsende beschlagnahmte Wildermuth-Schule wieder für den regulären Schulbetrieb freigegeben.

1955 bezogen die Kinder der französischen Besatzungssoldaten ihr neues Schulgebäude in der Galgenbergstraße. Die Stadt Tübingen hatte den Neubau besonders unterstützt, denn seit 1945 war die Wildermuth-Schule für die Besatzungskinder requiriert. Das Gebäude hatte unter dem Namen Collège Decourdemanche eine Schule und ein Internat beherbergt. Die deutschen Schülerinnen mussten sich die verbliebenen Schulgebäude im Schichtbetrieb mit den Gymnasiasten teilen. Der von deutschen Architekten und Baufirmen realisierte Neubau bedeutete so eine erhebliche Entlastung des Schulbetriebs in Tübingen. Gleichzeitig lag das neue Schulhaus in unmittelbarer Nähe der Wohnblöcke für Besatzungsangehörige und der Loretto-Kaserne. Der Internatsbetrieb wurde aufgegeben. Die Kinder konnten bei ihren Eltern wohnen.

Bis 1992 wurde hier auf Französisch und nach französischen Lehrplänen unterrichtet. Seit dem Schuljahr 1991/92 wurde das Gebäude mit einzelnen Klassen aus umliegenden Schulen belegt und nach und nach renoviert. Im Herbst 1993 beschloss der Tübinger Gemeinderat für diesen Schulstandort die Umsetzung eines pädagogischen Konzepts, das von einer Gruppe engagierter Lehrer und Eltern entworfen wurde. Zu den Prinzipien der heutigen Französischen Schule gehört der jahrgangsübergreifende Unterricht. Seit 2002 ist der Ganztagsunterricht verbindlich. Mit dem Schuljahr 2012/13 wurde die Schule zu einer Gemeinschaftsschule erweitert, die auf unterschiedliche Schulabschlüsse vorbereitet.

Außer dem Namen erinnert nur noch wenig an die französische Vergangenheit des Schulgebäudes. Lediglich im Foyer der Schule ist bis heute ein Schild mit der Aufschrift „École Primaire Française“ erhalten geblieben.

Therese Dichgans/Johannes Großmann/Jonathan Schilling

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26 Vereinslokal der Fremdenlegion

Ehemaliger Gedenkstein der Fremdenlegion im Alexanderpark
Ehemaliger Gedenkstein der Fremdenlegion im Alexanderpark, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Zeremonie am Gedenkstein der Fremdenlegionäre
Zeremonie am Gedenkstein der Fremdenlegionäre, 1980er Jahre, Foto: Georg Wrost, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen
Vereinsheim der Amicale des Anciens de la Légion Étrangère
Vereinsheim der Amicale des Anciens de la Légion Étrangère in der früheren Leichenhalle des Garnisonslazaretts, vor dem Abriss 2007, Foto: Udo Rauch, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

26 Vereinslokal der Fremdenlegion

Alexanderstraße 48, 72072 Tübingen

Die „Texas Bar“ diente als Anlaufstelle für junge Männer, die in die französische Fremdenlegion eintreten wollten. Dagegen regte sich in Tübingen Widerstand.

Seit Oktober 1945 gab es in Tübingen einen Verein ehemaliger Fremdenlegionäre. Die Amicale des Anciens de la Légion Étrangère hatte zwischenzeitlich rund 300 Mitglieder. Ihr Vereinsheim war die frühere Leichenhalle des Garnisonslazaretts in der Alexanderstraße. Der Gedenkstein im Park neben dem Gebäudeeingang war mit der siebenflammigen Granate der Fremdenlegion geschmückt. Eine darunter eingelassene Gedenktafel ehrte insgesamt 25 Legionäre und Soldaten, die bei der Einnahme Stuttgarts im April 1945 gefallen und in Tübingen bestattet worden waren.

Das im Volksmund „Texas Bar“ genannte, für billigen Alkohol bekannte Vereinsheim wurde zum Anziehungspunkt für junge Männer. Einige von ihnen wurden an die Meldestelle der Fremdenlegion in der benachbarten französischen Gendarmerie vermittelt. Zeitzeugen berichteten, dass Freiwillige in die Kaserne in der Reutlinger Straße gefahren, dort in französische Uniformen gesteckt und über Donaueschingen und Freiburg nach Frankreich gebracht wurden.

Als die Rekrutenzahlen mit dem Indochinakrieg und den Aufständen in Nordafrika Mitte der 1950er Jahre sprunghaft anstiegen, regte sich in Tübingen Widerstand. Die Jungsozialisten warnten mit einer Plakataktion vor „Menschenräubern“. Die Kreisliga der freien Wohlfahrtspflege und der CVJM konnten zwischen Mai 1954 und April 1955 angeblich „232 jugendliche Bewerber für die Fremdenlegion“ umstimmen. Unter ihnen stammten 14% aus dem Bundesgebiet. 28% waren Heimatvertriebene, 58% Flüchtlinge aus der DDR. Ihre Motive waren aus Sicht des städtischen Sozialamts vielfältig: Fernweh und Abenteuerlust, Streit mit den Eltern, die „Flucht“ vaterloser Söhne vor der Mutter, materielle Notlagen und „Lebensangst“ infolge von Liebeskummer, Auseinandersetzungen oder kleineren Straftaten. Mit dem Ende des Besatzungsstatuts im Mai 1955 entspannte sich die Lage. Dennoch gab es weiterhin geheime Anwerbestellen der Fremdenlegion, unter anderem in der Baracke der französischen Sûreté an der Neckarbrücke (heute Bürger- und Verkehrsverein).

Im Juli 2007 räumte die Amicale das Vereinsheim, das dem Wohnbau-Projekt im Alexanderpark weichen musste. Geblieben ist das von Ketten eingefasste Gedenkmal, dessen vormalige Nutzung jedoch nicht mehr erkennbar ist.

Johannes Großmann

Weiterführend:
Fred Keicher: Die Legion stirbt, aber geht sie unter?, in: Tübinger Blätter 96 (2010), S. 36–39.

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25 Loretto-Viertel

Lorettoplatz, Herbst 2015
Lorettoplatz, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Das französische Quartier Zimmer in den Gebäuden der ehemaligen Loretto-Kaserne
Das französische Quartier Zimmer in den Gebäuden der ehemaligen Loretto-Kaserne, zeitgenössische Postkarte
Luftaufnahme der Loretto-Kaserne mit näherer Umgebung, nach 1922
Luftaufnahme der Loretto-Kaserne mit näherer Umgebung, nach 1922, Foto: Heinz Riediger, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

25 Loretto-Viertel

Lorettoplatz, 72072 Tübingen

Die Loretto-Kaserne wurde nach 1945 von der französischen Besatzungsmacht genutzt. Heute ist das Loretto-Viertel Inbegriff modernen Stadtlebens in Tübingen.

Auf dem Gelände des heutigen Loretto-Viertels befand sich bis Anfang der 1990er Jahre eine Kaserne, deren Geschichte bis zum Ersten Weltkrieg zurückreicht. Die Neue Kaserne wurde von 1914 bis 1916 errichtet und bis 1945 von Reichswehr und Wehrmacht genutzt. 1938 wurde sie im Gedenken an die Loretto-Schlacht bei Lens und Arras umbenannt. Diese Schlacht hatte zwischen Mai und Juli 1915 zehntausende französische und deutsche Soldaten das Leben gekostet und war schon kurz darauf zum Gegenstand nationalistischer Überhöhung und Mythenbildung geworden.

Nach dem Einmarsch der Franzosen in Tübingen übernahm die französische Armee die Tübinger Kasernen und nutzte sie bis 1991 weiter. Die deutschen Kasernenwärter und Maschinenmeister wurden weiterbeschäftigt. Die Loretto-Kaserne wurde in Quartier Zimmer umbenannt und diente zur Unterbringung von Soldaten und Material. Später wurde hier das militärische Gerät der französischen Garnison instandgehalten. Im Umfeld der Kaserne entstanden weitere französische Einrichtungen: Auf der anderen Seite der Hechinger Straße und südlich der Stuttgarter Straße wurden in den 1950er Jahren Wohngebäude für Militärs und ihre Familien gebaut. In der Galgenbergstraße eröffnete 1955 der Neubau der französischen Schule .

Gemeinsam mit den anderen französischen Kasernen und Wohnvierteln bildete das heutige Loretto-Areal für über 40 Jahre eine eigene Welt: Über Höflichkeiten gingen Kontakte zwischen den französischen Wehrpflichtigen und Deutschen selten hinaus. Der Zutritt zur Kaserne war Zivilisten verwehrt. Nach dem Abzug der Truppen entstanden Pläne für die Nachnutzung der freigewordenen Areale und die städtebauliche Aufwertung der lange vernachlässigten Südstadt. Heute gehören das Loretto-Viertel und das Französische Viertel zu den begehrtesten Wohnlagen der Stadt. Die meisten Neubauten des Loretto-Viertels entstanden auf dem ehemaligen Exerzierplatz. Das alte Mannschaftsgebäude wird seit 1998 von der Volkshochschule genutzt.

Lukas Kuhn

Weiterführend:
Annemarie Hopp/Bernd-Jürgen Warneken (Hg.): Feinde, Freunde, Fremde. Erinnerungen an die Tübinger „Franzosenzeit“, Tübingen (Kulturamt) 1995, S. 19–28.

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24 Französische Wohnblöcke

Ehemalige französische Wohnblöcke in der Huberstraße
Ehemalige französische Wohnblöcke in der Huberstraße, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Französische Wohnblöcke in der Huberstraße, um 1957
Französische Wohnblöcke in der Huberstraße, um 1957, Foto: Alfred Göhner, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen
Wohngebäude der Besatzungsmacht an der Stuttgarter Straße
Wohngebäude der Besatzungsmacht an der Stuttgarter Straße, Aufnahme vom Galgenberg, Mitte der 1950er Jahre, Foto: Alfred Göhner, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

24 Französische Wohnblöcke

Huberstraße 5, 72072 Tübingen

Nach dem Bau mehrerer Wohnblöcke für französische Militärangehörige wurden Mitte der 1950er Jahre die letzten beschlagnahmten Wohnungen in Tübingen zurückgegeben.

Die Wohnungsnot war eines der gravierendsten Probleme der Besatzungsjahre. In der unmittelbaren Nachkriegszeit mussten in Tübingen nicht nur die Dienststellen und Mitarbeiter der französischen Militärverwaltung, sondern auch die des Landes Württemberg-Hohenzollern untergebracht werden. Zu diesem Zweck wurden viele Gebäude und Wohnungen beschlagnahmt. Um den übrigen knappen Wohnraum konkurrierten die ausquartierten Tübinger mit Evakuierten, entlassenen Zwangsarbeitern, Displaced Persons und Heimatvertriebenen. Hinzu kamen die Studenten der Ende 1945 wieder eröffneten Universität . Noch 1951 waren 421 Wohnungen und 31 Gebäude (darunter zahlreiche Verbindungshäuser) beschlagnahmt. Bis 1960 wurde der gesamte Wohnraum der Stadt zentral bewirtschaftet und zugeteilt.

Für eine deutliche Linderung der Wohnungsnot sorgten insgesamt 16 Wohnblöcke für französische Militärs und ihre Angehörigen, die in unmittelbarer Nähe zur Loretto-Kaserne an der Stuttgarter Straße und im Gebiet zwischen Hechinger Straße und Steinlach errichtet wurden. Mit ihrer Fertigstellung Mitte der 1950er Jahre konnten die letzten beschlagnahmten Wohnungen zurückgegeben werden. Während einfache Soldaten und wehrpflichtige Rekruten innerhalb der Kasernenmauern lebten, waren die Wohnblöcke außerhalb der Kasernen vor allem für Offiziere und Unteroffiziere mit ihren Familien vorgesehen. Ihre Kinder besuchten die Schule am Hechinger Eck und die 1955 eröffnete Französische Schule. Die recht klar umrissenen französischen Wohn-viertel wurden von den meisten Tübingern als eigene Welt auf der anderen Seite des Neckars wahrgenommen und spielten in ihrem Alltag kaum eine Rolle. Mit der Reduzierung der französischen Garnison zogen in einzelne Wohnblöcke deutsche Mieter ein. Engere Kontakte entwickelten sich dennoch kaum. Mit dem Abzug der französischen Truppen wurden die Wohn-blöcke zu normalen Wohnhäusern. Heute erinnert kaum noch etwas an ihre ursprüngliche Funktion.

Lukas Kuhn

Weiterführend:
Annemarie Hopp/Bernd Jürgen Warnecken (Hg.): Feinde, Fremde, Freunde. Erinnerungen an die Tübinger „Franzosenzeit“, Tübingen (Kulturamt) 1995, S. 31–34.

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23 Centre de Repatriement

Schellingstraße 9–11, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Schellingstraße 9–11, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Schellingstraße 9–11, nach Ende der Nutzung als französische Garnisonswäscherei, 1987, Foto: Feist, Bildrechte: Landesdenkmalamt Tübingen
Schellingstraße 9–11, nach Ende der Nutzung als französische Garnisonswäscherei, 1987, Foto und Bildrechte: Joachim Feist
Befreite polnische Zwangsarbeiter
Befreite polnische Zwangsarbeiter werden vor der Thiepval-Kaserne zu Hilfspolizisten und Wachleuten ausgebildet, Foto: Neumann, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

23 Centre de Rapatriement

Schellingstraße 9, 72072 Tübingen

Das Centre de Rapatriement kümmerte sich um die Versorgung, Betreuung und Heimkehr ehemaliger „Zivilarbeiter“ und Gefangener.

Beim Einmarsch in Deutschland trafen die Alliierten nicht nur auf einheimische Bevölkerung. Denn während des Krieges waren Millionen von Gefangenen und „Zivilarbeitern“ aus ganz Europa nach Deutschland verschleppt worden. Viele von ihnen konnten und wollten nach Kriegsende nicht in ihre Heimat zurückkehren, da ihnen dort ethnische Diskriminierung oder politische Verfolgung drohten. Auch in Tübingen stellte der Umgang mit den sogenannten Displaced Persons eine große Herausforderung dar. Schon im Herbst 1939 waren die ersten polnischen Kriegsgefangenen nach Tübingen gekommen. Im April 1945 gab es in der Stadt 1.610, im gesamten Landkreis an die 6.000 Zwangsarbeiter – vornehmlich aus Polen, Frankreich und der Sowjetunion. Vor allem in den ersten Tagen nach der Befreiung beteiligten sich einige von ihnen an Plünderungen und Ausschreitungen gegen die einheimische Bevölkerung. Andererseits wurden gerade die schutzlosen Zwangsarbeiterinnen häufig zu Opfern sexueller Gewalt durch Besatzungssoldaten.

Die Militärregierung reagierte mit verschiedenen Maßnahmen. Sie rekrutierte ehemalige Zwangsarbeiter als Hilfspolizisten und Wachpersonal. Hinter der Thiepval-Kaserne in der Schellingstraße 9 eröffnete ein Centre de Rapatriement. Registrierte Ausländer erhielten hier täglich drei Mahlzeiten. Es gab Ausstellungs- und Veranstaltungsräume. In den ersten Monaten konnten viele Displaced Persons in ihre Heimat überführt werden. Seit September 1945 gingen die Repatriierungszahlen jedoch stark zurück. Das Centre de Rapatriement konzentrierte sich seither auf die Umschulung und Überführung „heimatloser Ausländer“ in reguläre Arbeitsverhältnisse. Im April 1946 wurde es in die Wilhelmstraße 97 verlegt, wo es in erster Linie Passierscheine ausstellte und Arbeitsangebote vermittelte. Im September 1948 hielten sich immerhin noch gut 800 Displaced Persons im Landkreis Tübingen auf. Die meisten von ihnen waren Litauer, Letten, Esten und Ukrainer, die in der Sowjetunion keine Zukunft für sich sahen.

Das Gebäude in der Schellingstraße 9–11 diente anschließend viele Jahre lang als Wäscherei der französischen Garnison. Nach seiner Rückgabe wurde es Ende der 1980er Jahre umgebaut und beherbergte bis 2013 die Landespolizei.

Johannes Großmann/Ann-Cathrin Witte

Weiterführend:
Dorothée Guillemarre: Vom Zwangsarbeiter zum „Heimatlosen Ausländer“. Displaced Persons im Landkreis Tübingen nach 1945, in: Wolfgang Sannwald (Hg.): Persilschein, Käferkauf und Abschlachtprämie. Von Besatzern, Wirtschaftswunder und Reformen im Landkreis Tübingen, Tübingen (Verlag Schwäbisches Tagblatt) 1998, S. 124–132.

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22 Thiepval-Kaserne

Thiepval-Kaserne
Thiepval-Kaserne, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Thiepval-Kaserne mit französischen Flaggen, von der Hegelstraße aus gesehen
Thiepval-Kaserne mit französischen Flaggen, von der Hegelstraße aus gesehen, Foto: Helmut Hell, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen
Verabschiedung einer französischen Einheit vor der Thiepval-Kaserne, um 1960
Verabschiedung einer französischen Einheit vor der Thiepval-Kaserne, um 1960, Foto: Alfred Göhner, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

22 Thiepval-Kaserne

Hegelstraße 1, 72072 Tübingen

Die Wehrmachts-Kaserne am Eingang zur Südstadt wurde 1945 von den französischen Besatzern übernommen, aber bereits in den 1970er Jahren aufgegeben.

Seitdem der Gebäudekomplex der Thiepval-Kaserne den Zugang zur Tübinger Südstadt dominiert, hat er eine wechselvolle Geschichte erlebt. Die Mehrflügelanlage im Stil der italienischen Frührenaissance wurde zwischen 1873 und 1875 unter dem Eindruck des Sieges über Frankreich und der Reichseinigung als Königlich Württembergische Garnisonskaserne erbaut. Die Stadt versprach sich davon wirtschaftliche Impulse und einen Zuwachs an politischem Ansehen. Im August 1914 rückten die Soldaten zu einem neuen Krieg gegen Frankreich aus. Die anfänglich auch für Tübingen dokumentierte Kriegsbegeisterung wich schon bald der Ernüchterung über den Stellungskrieg und das millionenfache Sterben an der Westfront.

Mit der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg und der im Versailler Vertrag festgelegten Begrenzung der Reichswehr auf 100.000 Mann endete vorerst auch die militärische Nutzung der Alten Kaserne (so ihr Name seit dem Bau der Loretto-Kaserne). Sie diente als Polizeigebäude und als Wohnhaus. Doch mit der Revisions- und Aufrüstungspolitik der Nationalsozialisten wurde die Kaserne in den 1930er Jahren wieder in Betrieb genommen. Sie trug nun den Namen Thiepval-Kaserne, der an die Kämpfe um eine im Ersten Weltkrieg vollständig zerstörte Ortschaft an der Somme erinnerte.

Im Sommer 1945 wurde die Kaserne durch die französische Besatzungsmacht übernommen. Zwei Regimenter teilten sich das Gebäude zunächst mit ehemaligen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern. 1978 gab die französische Garnison diesen Standort auf. Die Nachnutzung war lange umstritten. 1980 bezogen studentische Hausbesetzer einen Teil des heruntergekommenen Gebäudes. Von 1981 bis 1989 diente der Haupttrakt als Asylbewerberheim und Auffanglager für Spätaussiedler. 2002 wurde das Mannschaftsgebäude von Grund auf saniert und umgebaut. Es beherbergt seither das Finanzamt, das Rechnungsprüfungsamt und mehrere Privatwohnungen. Der frühere Exerzierplatz blieb unbebaut und wird gelegentlich für städtische Großveranstaltungen genutzt.

Thomas Theurer/Constantin März/Johannes Großmann

Weiterführend:
Matthias Möller (Hg.): Still gestanden? Die Geschichte einer alten Kaserne, Tübingen (Förderverein Kulturdenkmal Schellingstraße 6) 2009.

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