4 Restaurant zum Pflug

Restaurant zum Pflug
Restaurant zum Pflug, Neustadtgasse, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Restaurant zum Pflug, Neustadtgasse
Restaurant zum Pflug, Neustadtgasse, Foto: Ingeborg Dehner-Helle, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

4 Restaurant zum Pflug

Neustadtgasse 11, 72070 Tübingen

Die Treffen der Demokratischen Vereinigung im Gasthaus zum Pflug markierten den Neubeginn des politischen Lebens nach zwölf Jahren nationalsozialistischer Diktatur.

Das Gasthaus zum Pflug war bis zu seiner Schließung im Februar 2012 eines der traditionsreichsten Gasthäuser in Tübingen. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs und während der französischen Besatzungszeit spielte dieser Ort eine wichtige Rolle für den demokratischen Neuanfang nach zwölf Jahren nationalsozialistischer Diktatur. Hier traf sich – zu Beginn noch im Verborgenen – ein „Antifaschistischer Block“ aus Kommunisten und Sozialdemokraten. Später wurde daraus die Demokratische Vereinigung. Diese überparteiliche Runde umfasste auch Teilnehmer aus dem liberalen und konservativen Spektrum. Zu den etwa 50 Mitstreitern der Demokratischen Vereinigung zählten beispielsweise Carlo Schmid, Viktor Renner, Adolf Hartmeyer und Otto Erbe. Ihr Ziel war ein demokratischer Neuaufbau von Politik, Verwaltung und Wirtschaftsleben in Zusammenarbeit mit den französischen Besatzungsbehörden.

Für kurze Zeit wurde das kleine Gasthaus zum Pflug damit zu einem heimlichen Zentrum des politischen Lebens in Tübingen und Württemberg-Hohenzollern. Die Demokratische Vereinigung unterstützte die Entnazifizierungs-Bemühungen der Militärregierung. Auf ihren Vorschlag hin wurde Viktor Renner am 18. Juni 1945 zum Tübinger Oberbürgermeister ernannt. Doch die Spannungen zwischen den unterschiedlichen politischen Lagern nahmen zu. Im April 1946 löste sich die Demokratische Vereinigung daher auf. Ihre Mitglieder blieben in den wieder zugelassenen und neugegründeten Parteien aktiv.

Sebastian Brenner/Constantin März

Weiterführend:
Michaela Häffner: Die Demokratische Vereinigung, 1945–1946. Eine Studie zur Nachkriegsgeschichte am Beispiel Tübingens, Tübingen (Kulturamt) 1997.

 

Filtern nach

Carlo Schmid als Wahlkämpfer
Carlo Schmid als Wahlkämpfer, Foto aus dem Privatbesitz von Martin Schmid

Carlo Schmid (1896–1976) war einer der einflussreichsten politischen Akteure der Tübinger Nachkriegszeit. Der in Frankreich geborene Jurist gehörte der Demokratischen Vereinigung an und drängte auf eine Entnazifizierung von Universität und Verwaltung. Im Dezember 1946 wurde der SPD-Politiker Landesdirektor für Justiz und Präsident des Staatssekretariats von Württemberg-Hohenzollern. Er gilt als einer der „Väter“ des Grundgesetzes. (C.M./F.R./J.G.)

Viktor Renner
Viktor Renner, Foto: Foto-Dohm, Bildrechte: Stadtarchiv Reutlingen

Viktor Renner (1899–1969) war 1945/46 Oberbürgermeister von Tübingen. Als Mitglied der Demokratischen Vereinigung wurde der Jurist im Juni 1946 zum kommissarischen Oberbürgermeister ernannt. Gleichzeitig war er Landrat des Kreises Tübingen. Von 1946 bis 1952 war er Innenminister von Württemberg-Hohenzollern, danach erster Justizminister des Landes Baden-Württemberg. (T.K./F.R./J.G.)

Oberbürgermeister Adolf Hartmeyer auf der Rathauskanzel
Oberbürgermeister Adolf Hartmeyer auf der Rathauskanzel, Foto: Carl Näher, Bildrechte: Stadtarchiv Reutlingen

Adolf Hartmeyer (1886–1953) war von 1946 bis 1948 Tübinger Oberbürgermeister. Der gelernte Buchdrucker, den die Nationalsozialisten mit einem Berufsverbot belegt hatten, trat nach Kriegsende der Demokratischen Vereinigung bei. 1946 wurde der SPD-Politiker zum Oberbürgermeister ernannt und bei den ersten Kommunalwahlen im November bestätigt. Er bemühte sich vor allem um die Verbesserung der Ernährungslage und der Wohnungssituation. (F.R.)

(Christian) Otto Erbe, 1940er Jahre, Bildrechte: ERBE-Archiv

(Christian) Otto Erbe (1884–1965) war ein Tübinger Unternehmer. 1923 übernahm er die von seinem Großvater begründete mechanische und optische Werkstätte. Firmensitz und Verkaufsstelle befanden sich am Holzmarkt 7. Er verwandelte das Unternehmen in einen Industriebetrieb für Medizintechnik. Nach dem Krieg beteiligte sich Erbe, der mit Theodor Heuss befreundet war, an der Neugründung der liberalen Demokratischen Volkspartei (DVP). Von 1946 bis 1956 war er Mitglied im Tübinger Gemeinderat, seit 1948 Erster Beigeordneter der Stadt. (J.G.)