22 Thiepval-Kaserne

Thiepval-Kaserne
Thiepval-Kaserne, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Thiepval-Kaserne mit französischen Flaggen, von der Hegelstraße aus gesehen
Thiepval-Kaserne mit französischen Flaggen, von der Hegelstraße aus gesehen, Foto: Helmut Hell, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen
Verabschiedung einer französischen Einheit vor der Thiepval-Kaserne, um 1960
Verabschiedung einer französischen Einheit vor der Thiepval-Kaserne, um 1960, Foto: Alfred Göhner, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

22 Thiepval-Kaserne

Hegelstraße 1, 72072 Tübingen

Die Wehrmachts-Kaserne am Eingang zur Südstadt wurde 1945 von den französischen Besatzern übernommen, aber bereits in den 1970er Jahren aufgegeben.

Seitdem der Gebäudekomplex der Thiepval-Kaserne den Zugang zur Tübinger Südstadt dominiert, hat er eine wechselvolle Geschichte erlebt. Die Mehrflügelanlage im Stil der italienischen Frührenaissance wurde zwischen 1873 und 1875 unter dem Eindruck des Sieges über Frankreich und der Reichseinigung als Königlich Württembergische Garnisonskaserne erbaut. Die Stadt versprach sich davon wirtschaftliche Impulse und einen Zuwachs an politischem Ansehen. Im August 1914 rückten die Soldaten zu einem neuen Krieg gegen Frankreich aus. Die anfänglich auch für Tübingen dokumentierte Kriegsbegeisterung wich schon bald der Ernüchterung über den Stellungskrieg und das millionenfache Sterben an der Westfront.

Mit der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg und der im Versailler Vertrag festgelegten Begrenzung der Reichswehr auf 100.000 Mann endete vorerst auch die militärische Nutzung der Alten Kaserne (so ihr Name seit dem Bau der Loretto-Kaserne). Sie diente als Polizeigebäude und als Wohnhaus. Doch mit der Revisions- und Aufrüstungspolitik der Nationalsozialisten wurde die Kaserne in den 1930er Jahren wieder in Betrieb genommen. Sie trug nun den Namen Thiepval-Kaserne, der an die Kämpfe um eine im Ersten Weltkrieg vollständig zerstörte Ortschaft an der Somme erinnerte.

Im Sommer 1945 wurde die Kaserne durch die französische Besatzungsmacht übernommen. Zwei Regimenter teilten sich das Gebäude zunächst mit ehemaligen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern. 1978 gab die französische Garnison diesen Standort auf. Die Nachnutzung war lange umstritten. 1980 bezogen studentische Hausbesetzer einen Teil des heruntergekommenen Gebäudes. Von 1981 bis 1989 diente der Haupttrakt als Asylbewerberheim und Auffanglager für Spätaussiedler. 2002 wurde das Mannschaftsgebäude von Grund auf saniert und umgebaut. Es beherbergt seither das Finanzamt, das Rechnungsprüfungsamt und mehrere Privatwohnungen. Der frühere Exerzierplatz blieb unbebaut und wird gelegentlich für städtische Großveranstaltungen genutzt.

Thomas Theurer/Constantin März/Johannes Großmann

Weiterführend:
Matthias Möller (Hg.): Still gestanden? Die Geschichte einer alten Kaserne, Tübingen (Förderverein Kulturdenkmal Schellingstraße 6) 2009.

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