8 Museum

Museum
„Museum“, Herbst 2015, Foto: Bernhard Kleeschulte
Landestheater und Lichtspiele im „Museum“, um 1955
Landestheater und Lichtspiele im „Museum“, um 1955, Foto: Alfred Göhner, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen
Freilichtinszenierung von „Romeo und Julia“
Margot Bieler und Hans Messemer in der Freilichtinszenierung von „Romeo und Julia“ auf dem Marktplatz, Bildrechte: Stadtarchiv Tübingen

8 Museum

Am Stadtgraben 2, 72074 Tübingen

Im „Museum“ fanden mit Unterstützung der französischen Militärregierung die ersten Theater- und Kinovorführungen nach dem Krieg statt.

Die traditionsreiche Museumsgesellschaft verwandelte sich von einem einfachen Lesezirkel nach und nach in ein bildungsbürgerliches Forum zur Förderung von Literatur, Theater und Musik. 1822 bezog die Gesellschaft einen klassizistischen Neubau am Stadtgraben. Das mehrmals erweiterte und umgebaute „Museum“ wurde mit seinen Veranstaltungssälen für Theater-, Konzert- und Filmvorführungen zu einem Zentrum des städtischen Kulturlebens.

Es überrascht daher nicht, dass im „Museum“ am 14. August 1945 die erste Tübinger Theatervorstellung seit Kriegsende stattfand. Eine studentische Gruppe spielte George Bernard Shaws „Pygmalion“ und Heinrich von Kleists „Der zerbrochene Krug“. Aus einer Freilichtvorführung von „Romeo und Julia“ durch eine junge Schauspieltruppe auf dem Marktplatz entwickelte sich schließlich das Städtische Schauspielhaus. Dieses nahm seinen Spielbetrieb unter der Leitung von Günther Stark am 19. Oktober auf. Damit besaß Tübingen erstmals ein eigenes Theater. Zum Ensemble gehörten Film- und Bühnenstars wie Erika von Thellmann und Elisabeth Flickenschildt. Ein Förderer des Schauspielhauses war Carlo Schmid. Seine Nachdichtung von Pedro Calderóns „Morgen kommt ein neuer Tag“ kam erstmals im Januar 1946 zur Aufführung. 1950 wurde aus dem Schauspielhaus das Landestheater Württemberg-Hohenzollern.

Auch der Kinobetrieb im Museum wurde am 18. August 1945 wieder aufgenommen. Gezeigt wurden deutsche und französische Filme. Bereits zwei Monate zuvor hatte im Festsaal der Neuen Aula am 17. Juni ein erstes Kammermusikkonzert stattgefunden. Das neugegründete Städtische Kammerorchester eröffnete seine erste Spielzeit am 11. November. Auf dem Programm standen klassische Werke, aber auch zeitgenössische Komponisten wie Paul Hindemith und Harald Genzmer. Die Ausstellungen im Kunstgebäude zogen bald zehntausende Besucher an.

Tatsächlich war Kultur ein integraler Bestandteil der französischen Sicherheitskonzeption. Die Besatzer wollten die Deutschen durch Bildung und Umerziehung zu guten Demokraten machen. Gleichzeitig erhofften sie sich einen Prestigegewinn gegenüber den anderen Besatzungsmächten. Als Landeshauptstadt wurde Tübingen zum Schaufenster dieser Politik. Zeitgenössische Beobachter warfen der Militärregierung freilich vor, ihr kultureller Aktionismus solle lediglich die Härten der Besatzungspolitik kaschieren.

Johannes Großmann/Thomas Theurer

Weiterführend:
Edgar Lersch: Das Kulturleben in der Stadt Tübingen vom Zusammenbruch bis zur Währungsreform (1945–1948), in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 43 (1984), S. 327–354.

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Carlo Schmid als Wahlkämpfer
Carlo Schmid als Wahlkämpfer, Foto aus dem Privatbesitz von Martin Schmid

Carlo Schmid (1896–1976) war einer der einflussreichsten politischen Akteure der Tübinger Nachkriegszeit. Der in Frankreich geborene Jurist gehörte der Demokratischen Vereinigung an und drängte auf eine Entnazifizierung von Universität und Verwaltung. Im Dezember 1946 wurde der SPD-Politiker Landesdirektor für Justiz und Präsident des Staatssekretariats von Württemberg-Hohenzollern. Er gilt als einer der „Väter“ des Grundgesetzes. (C.M./F.R./J.G.)